Was fanden wir den schrulligen, kahlköpfigen Stanford aus Sex and the City nicht alle witzig? Unzählige Hollywood-Märchen haben es uns beigebracht. Ein anständiges Mädchen, welches am Ende der Geschichte ihr happy Ending bekommen soll, braucht ihn, den schwulen Sidekick. Was aus ihm eigentlich wird erfährt man in den seltensten Fällen. Hat das Mädchen nämlich ihren Prinzen bekommen, braucht es keine Freunde mehr. Hollywood sagt das. Und was Hollywood sagt stimmt doch immer. Oder?
Plan B. In der Tat spüre ich die Adern auf meinem Hals pulsieren wenn ich diesen Ausdruck nur schreibe. Ist es zu glauben dass ein erwachsener, emotional und sozial halbwegs brauchbar intelligenter Mann jahrelang als Beiwagerl* hinter einem Haufen aus Komplexen und Jennifer Aniston Lifegoals hinterher läuft und sich als „Plan B“ und „mein schwuler bester Freund“ vorstellen lässt? Kann sich kein Mensch vorstellen oder? Das blöde ist nämlich. Wir, die schwulen Männer, wir haben diesen ganzen Müll auch gesehen. Wir haben unsere „Nische“ darin gefunden. Den Weg zum "akzeptiert werden" in einer perfekten Welt, einer Welt in der Mädchen Jungs heiraten, aufs Land ziehen, einen Haufen Kinder machen und in der die schwulen besten Freunde, wenn all das vollzogen ist und das eigentliche Ziel erreicht, zu alternden Partytieren werden bis sie irgendwann AIDS kriegen und eh früh sterben. Für einen kurzen Moment dürfen wir also Teil dieser perfekten Welt sein. Yay!
Die Sache ist die: Ich möchte kein Sidekick sein, ich möchte nicht dass die Tatsache dass ich einen Penis anziehender finde als eine Vagina auf meiner Visitenkarte irgendeiner Freundschaft steht. Und ich möchte kein Plan B sein. Ich spiele eine Hauptrolle, nämlich die in meinem Leben. Und auch wenn mein Leben vielleicht in vielerlei Hinsicht ein bisschen anders aussieht als das der meisten anderen Menschen, ist es keine Comedy. Nun ja, zumindest nicht jeden Tag den ganzen Tag.
Ladies, wir müssen uns unterhalten! Seit vielen, vielen Jahrzehnten sind wir es, die an Eurer Seite stehen, wir kämpfen mit Euch, setzen uns mit Euch für Eure Rechte ein, ja, wir unterstützen Euch. Warum? Weil das verdammt das einzig Richtige ist und diese Welt endlich eine reale Gleichberechtigung braucht.
Ich bin ja sehr gerne mit Frauen zusammen, solange man dabei nicht nackt sein muss, OK, Sauna geht schon auch. Ich schätze Frauen, nicht weil sie Frauen sind, sondern weil sie Menschen sind. Und ja, ich finde es sollte in keinster Weise irgendein Unterschied zwischen Männern und Frauen gemacht werden. #girlpower und so. Immer. Was ich aber sehr wohl auch möchte, ist selbst wie ein gleichwertiges Wesen behandelt zu werden. Jeder ist in seinem Leben die Hauptrolle! Und hey! Jeder Film ist ja irgendwie toll. Also sorg dafür dass Deine Filmrolle nicht unbeachtet verstaubt weil du zu beschäftigt damit bist in anderen Filmen Nebenrollen zu spielen!
*Beiwagerl ist ein Wienerischer Ausdruck für das fünfte Rad am Wagen, bzw. eine untergeordnete Person.
Gut und Böse. Schwarz und Weiß. Die helle Seite der Macht oder die Dunkle. Alleine diese Gegenüberstellungen verursachen mir schon manchmal Kopfschmerzen. Was ist Konditionierung, was tatsächlich richtig und falsch? Wir alle werden ja erzogen. Also irgendwie halt. Leider wurde ich zu einem Menschen erzogen, der Fragen stellt. Haha, Spaß, nein, dazu wurde ich definitiv nicht erzogen. Warum ich trotzdem so geworden bin, weiß man nicht so genau. Nun, kommen wir zu den bösen Menschen.
Man wird ja heutzutage nur zu gern als „Gutmensch“ abgestempelt, wenn man liberale oder soziale Positionen vertritt. Und dieses Wort ist heute praktisch in jedem Kopf ein absolut negatives. Und außerdem: Das mit dem Gutmenschen ist ja so eine Sache. Ich sehe mich eigentlich überhaupt nicht als solcher. Wie ich schon mal verraten habe, finde ich, ich bin ein ziemlich beschissener Freund. Aber nicht nur das, ich bin auch ein Mensch, der zu allem eine Meinung hat. Und als ob das nicht genug wäre, bin ich zu allem Überfluss auch noch ein Mensch, der zu fast allem ein Urteil fällt. Ja. Das ist ein ziemlich arschiger Charakterzug. Ich bin also nicht mal ein besonders netter Mensch. Ich wollte das nur gleich von Anfang an ganz selbstreflektiert in den Raum werfen.
Hast du noch Kontakt zu Deinen ehemaligen Mitschülern? Natürlich. Das digitale Buch der Gesichter macht es möglich. Ich war tatsächlich noch auf keinem Klassentreffen. Mir graut auch ehrlich gesagt davor, zu so was zu müssen? Müssen. Eh Blödsinn. Aber würde ich hingehen? Natürlich würde ich das. Wenn ich an meine Schulzeit und die Menschen von damals zurück denke, mir heute ihre Facebook-Profile ansehe und versuche, für eine Sekunde in ihre Welt einzutauchen, muss ich wirklich kurz durchatmen. Also stell dir kurz durchatmen etwa so vor, dass ich zwischen Erstickungsanfällen vor Lachen und in eine Papiertüte hyperventilieren aus Fremdscham alles durchmache. Innerhalb von 15 Sekunden.
Wer sind diese Leute? Ein Meer aus hässlichen Plastik-Christbäumen, und noch hässlicheren Kindern überflutet meinen Kopf förmlich! Sie heiraten zum dritten Mal in einem viertklassigen, widerwärtigen Polyesterfetzen, den sie aus dem Türkischen Brautmodengeschäft im 16. um 199 Euro gekauft haben, obwohl sie „die Türken“ ja eigentlich nicht mögen und darum den blauen Messias oder sein türkises Milchkalb wählen. Sie bekommen gerade das vierte Kind vom vierten Typen, sie liken Rechtspopulisten und teilen deren grenzdebilen Schwachsinn, eröffnen Nagelstudios, machen den AMS Kurs zur Fußpflegerin oder zum Nachtportier und haben alle eines gemeinsam. Man sieht ihnen zu, so online, so digital, so geheim. Und man wird den Gedanken nicht los, nämlich den, dass diese Menschen, die da jetzt nahezu alle eigene Kinder haben und somit Verantwortungsträger für die nächste Generation sind, sich nicht verändert haben. Und wenn ich das sage, meine ich nicht dieses „Haha du bist immer noch derselbe“-nett-positiv-Schmeichelnde. Nein nein. Sie sind immer noch die, die damals in der Schule die „Coolen“ waren. Und wenn man mit 14 schon der Hero ist, hat man ja irgendwie nicht mehr viel Optimierungsbedarf, oder?
All die Ekelhaftigkeiten und Vorurteile, all die kleinen Stereotypen und Beleidigungen, die ich aufgezählt habe, wären mir ja im Grunde egal. Ich sagte im Grunde, ich sagte nicht völlig, lachen würde ich trotzdem drüber! Aus meiner Sicht gibt es da aber ein ganz anderes Problem.
Wer sind diese Leute? Kennst Du dieses Nicken? Dieses eine spezielle Nicken mit dem man gute von bösen Menschen unterscheiden kann? In einem meiner liebsten Filme wurde eine sehr feine Änderung der Sichtweise einmal folgendermaßen beschrieben: Es ist wie die Suche nach einem Radiosender, irgendwie hört man was, aber irgendwie rauscht es auch, und wenn man den Regler nur um den Bruchteil eines Millimeters verschiebt, kann es plötzlich ganz klar sein und man kann das Signal in all seiner Klarheit nicht überhören. Etwa so geht es mir mit dieser winzigen Bewegung. Es können zwei wildfremde Menschen sein. Ich gehe auf der Straße, beobachte zwei Menschen, die sich unterhalten, eine Dame und ein Herr, die Dame vielleicht Ende dreissig, der Herr im Seniorenalter. Sie begrüssen sich, sie unterhalten sich. Belanglos. Smalltalk. „Des is wegen die Auslända!“ fällt er, einer der Sätze,die es auslösen. Das Nicken. Die Augen werden ein bisschen zusammengekniffen, die Körperhaltung wird ein wenig selbstbewusster, man connected. Zwei Arschlöcher haben sich gefunden. Sie bestätigen das mit dem Nicken. Von nun an weiß man, hier darf man. Hier darf man ungestraft, unzensiert und nach Herzenslust hassen und diskriminieren.
Du fragst dich wahrscheinlich zurecht, was das mit Freunden zu tun hat. Nunja. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass diese Art Menschen mit ihren Freunden oder generell mit ihrem Umfeld genauso umgeht wie sie es mit „die Auslända“ macht. Es sind Menschen, die einen Flugzeugabsturz erst dann traurig finden, wenn ein Landsmann unter den Opfern war. Menschen, die dem Neujahrsbaby schreckliche Dinge wünschen, wenn es nicht ihrer Vorstellung eines „guten, ödterreichischen Kindes“ entspricht. Und es sind Menschen, die wenn sie aufgeregt sind, die Fassung verlieren.
Das mit der Fassung ist so eine Sache. Ich finde es ja immer wieder amüsant mitanzusehen, wenn Menschen, die in der intellektuellen Lotterie eher die Nieten gezogen haben, die Fassung verlieren und sich echauffieren. Und trotz der Tatsache, dass ich bereits mehrmals im Leben in Situationen geraten bin, in denen das Potential einer Eskalation einer solchen Situation da war, höre ich nicht auf, es lustig zu finden.
Gut und Böse. Schwarz und Weiß. Die helle Seite der Macht oder die Dunkle. Alleine diese Gegenüberstellungen verursachen mir schon manchmal Kopfschmerzen.
Wie ist das nun? Glaube ich eigentlich an das Böse? Dann müsste ich ja an das Gute auch glauben.